Jurydiskussion Nora Gomringer
In einem mehrstöckigen Wohnhaus stürzte sich ein 13-jähriger, vermutlich homosexueller, Bub, vom Balkon. Eine Frau will mehr herausfinden über die Umstände dieses Selbstmordes und recherchiert.

ORF/Johannes Puch
Nora Gomringers Text löste im Publikum langen Applaus und Jubel aus. Die Jury diskutierte um existenzielle Fragen wie der nach Literatur in der Cloud. Zum anderen nach der Wechselwirkung von Text und Vortrag. Gomringer las performativ, mit unterschiedlichen Stimmen. Wie eine Poetry Slammerin. Diese laut Klaus Kastberger „glänzende Performnace“, wirft die Frage auf, ob der Text ohne laut vorgelesen zu werden, dieselbe Wirkung erzielen würde: „Würde der Text außerhalb dieser Lesung bestehen?

Johannes Puch
„Den Text aus der Cloud geholt“
Würde es Gomringers Text überhaupt geben, wenn es die TddL nicht geben würde? Er zweifelte daran und regte an, darüber nachzudenken. Außerdem wies er auf den systemischen Charakter dieser Lesung hin, „wir sind alle Teil davon und können uns nicht entziehen“. Gomringer habe „als Medium den Text aus der Cloud geholt um ihn uns vorzutragen“.
Winkels: „Großartig und abwechslungsreich“
Jury-Vorsitzender Hubert Winkels verglich die Lesung mit einem Hörspiel und empfand sie als „großartig und abwechslungsreich“. Er thematisierte die veränderte Mediensituation in der Literatur. Sschon lange gäbe es Diskussion darüber, inwiefern sich das Publikum und die Jury von der Art des Vortrages beeinflussen lassen.

Johannes Puch
Meike Feßmann sah ein „kategoriales Problem“ darin. Gomringers Geschichte sei „als Text nicht so wirksam wie als Performance“. Alle waren sich einig, dass sich die Rezeption von Literatur mit den neuen Medien verändert habe - gleiche Chancen für alle AutorInnen und Vortragenden.
Positives über den Inhalt
Inhaltlich wurde Gomringers Text äußerst positiv aufgenommen. Für Sandra Kegel, die Gomringer eingeladen hatte, eine „Verstörungskomödie“, „ein meisterlich komponierter Text“.
Winkels, ebenfalls sehr beeindruckt, fand
auch Gefallen am „jandlhaften Sprachspielgedicht“ im letzten Teil der Lesung. Gmünder schloss sich den positiven Kommentaren an: „Genial gemacht“, lautete sein knapper Kommentar. Er schätze die vielen Figuren in der Handlung.

Johannes Puch
Hildegard Keller, ebenfalls sehr beeindruckt von der performativen Vortragsweise Gomringers, empfand deren Spiel mit den Stimmen sowie den gesamten Text als „raffiniert abgründig“.
Steiner sah Parallelen zu CERN
Große Worte auch von Juri Steiner. Er verortete einen größeren Zusammenhang hinter der Geschichte über den toten Buben und die schrägen, verschwiegenen Hausbewohner. Er zog Parallelen zur Physik: Die zentrale Figur in der Geschichte, die Autorin Nora Borong, sei wie „das Gottesteilchen, das die Wissenschaftler im Forschungszentrum CERN suchen“.