Jurydiskussion Sven Recker

Sven Recker wurde von Meike Feißmann zu den Tddl 2015 eingeladen. Er las den Text „Brot, Brot, Brot“, der von der Jury zerpflückt wurde. Die Diskussion endete abrupt, als keiner mehr etwas zu sagen wusste. Der Text handelt von drei Menschen, die an psychischen Problemen und Süchten leiden.

Ein ehemaliger Alkoholiker der rückfällig wird, ein Drogensüchtiger der aus der Entzugsklinik flüchtet und eine Ärztin, die Medikamenten, Sex und dem Konsum verfallen ist. Hubert Winkels gefiel der Aufbau der Erzählung nicht, der Text verrate immer zu Beginn eines Absatzes, worum es gehe. Darauf folgen dann die Innenperspektive und die Gefühlslagen der Figuren. Das habe keinen Neuigkeitswert und „das geht literarisch gar nicht“, sagte er gelangweilt. Die Figuren seien außerdem zu wenig differenziert.

Sven Recker Jury

Johannes Puch

„Marionetten“ „klischeehaft“

Sandra Kegel nahm die Figuren als „Marionetten“ wahr, die bei ihr kein Interesse weckten. Stefan Gmünder bezeichnete die Figuren als „klischeehaft und schablonenhaft“ und empfand sie als „zu ähnlich“, der Text sei ihm „zu deutlich“.

Kurz schien es während der Jurydiskussion so, als ob Hildegard Keller den Text retten wollte: Er käme daher wie eine Partitur, meinte sie, und die Figuren seien so konstruiert, dass man hineinschlüpfen könne. Aber dann folgte ein Einwand: „Die Figuren müssten in ihrer eigenen Wahrnehmung gezeigt werden, um lebendig zu werde. Das ist einer der zentraler Punkte an denen der Text scheitert“, so Keller.

Sven Recker Jury

Johannes Puch

Verteidigung von Feßmann

Meike Feßmann, die den Autor Sven Recker zu den TDDL eingeladen hatte, sah den größeren gesellschaftlichen Zusammenhang in den Figuren. Es handle sich hierbei um einen klaustrophobischen Text unserer Therapie-, Ego-, und Geschäftsideengesellschaft. Diese Diskurse flössen durch die Figuren hindurch. Die Figuren dieser Geschichte seien keine „Personen“ sondern Verkörperungen gesellschaftlicher Diskurse. Reden sich ein, sie seien stabil, seien aber völlig labil. Rezitieren Texte, die Therapeuten ihnen vorgesprochen haben, stehen immer kurz vor dem Absprung.

Klaus Kastberger reagierte mit einer Abfuhr auf den für ihn „seltsam belanglosen“ Text: „Der lässt mich kalt. Er weckt nicht einmal das Bedürfnis, gegen ihn zu sein. Ich kann mich an nichts entzünden.“ „Brot. Brot, Brot“ ist für Kastberger kein literarischer, sondern eine journalistischer Text, „der nichts Neues in sich trägt“ und bereits Vorhandenes reproduziere.

Sven Recker Jury

Johannes Puch

„Finde ihn nicht so schlecht“

Feßmann entgegnete, dass genau das die Provokation sei: „Figuren, durch die nichts hindurchrauscht“. Dadurch fühlte sich auch Juri Steiner in positiver Weise angesprochen. In einer Welt, in der das Individuelle so hoch gehalten werde, seien diese Figuren doch nur wie leblose Schablonen, die ab und zu zucken zwischen ihrem Dorgenräuschen.

"Ich finde den Text nicht so schlecht, wie ihr ihn jetzt gemacht habt,“ sagte Juri Steiner an die anderen Jury-Mitglieder gewandt. Doch dann war es ruhig, Keiner sagte mehr etwas. Sprachlosigkeit in der Jury. Fertig diskutiert.

Links: