Angeregte Diskussion um Text von Verena Dürr

Verena Dürr, 1982 geboren und als Autorin, Musikerin und Küchenhilfe tätig, las auf Einladung von Klaus Kastberger den Text „Memorabilia“. Die Diskussuon war angeregt. Von „wunderbar“ (Wiederstein) bis „es gefällt einem oder nicht“ (Winkels).

Die Protagonisten in ihrem Text sind zwei Klaviere aus „Casablanca“. Eines der beiden wird in einem Zollfreilager gelagert und soll von einem Restaurator begutachtet werden. Eine Kunst- und Filmliebhaberin könnte daran interessiert sein es zu kaufen. „Memorabilia“ ist ein lose zusammenhängendes, aus stilistisch unterschiedlichen Fragmenten bestehendes Artefakt, das zahllose teils nur als Zitate erkennbare Referenzen, effektive Repetitionen und die auf der Verschmelzung von Möglichkeit und Wirklichkeit beruhende Ungewissheit aufweist.

TDDL Tag 2 Verena Dürr

ORF/Johannes Puch

Verena Dürr

„Anständig geschrieben aber keine eigene Stimme“

Zu Beginn meldete sich zu Meike Feßmann Wort. Dass sich in Zeiten der Finanzkrise ein Geschäft mit kulturellen Artefakten ergebe, sei verständlich. Dabei komme es zu enormen Wertsteigerungen. Dieser Text arrangiere dieses Setting, füge dem aber nichts hinzu. „Es ist anständig geschrieben“, aber es habe „keine eigene Stimme, in einem Zollfreilager hätte dieser Text keine Chance“.

Winkels entgegnete, hier sei eine „bestimmte Form der Entsinnlichung der Warenwelt“ im Gange. Er finde es „grandios, wenn man es schafft, so tonlos zu berichten“. Er sei total berührt gewesen, als im Text erklärt wurde, dass zwei Charaktere eine Affäre in Paris hatten, das sei eine Kopie dessen, was in „Casablanca“ geschehe. Es sei mit einer großen Präzision gemacht, es „ist Konzeptkunst und es ist gut gemacht“.

Keller fasziniert von der „Warenwelt“

Hildegard Keller sprach den im Text vorkommenden Berg an, der als ein „Reliquienschrein des Weltkulturerbes“ fungiere. Der Text sei „außerordentlich eigen“, faszinierend finde sie in dieser „Warenwelt“, was mit den Lebewesen passiert. In die Welt der Lebewesen tauche man mit Kälte ein. Die inneren Werte seien Werte, die „bezifferbar“ seien, „das ist wunderbar gemacht.“ Beim Lesen tat sich für sie die Frage auf, ob es „eine literarische Reportage oder eine Parabel“ sei, die einzige Antwort sei, „Herr Kastberger ist ein guter Professor, er fordert uns als LeserInnen zur Gymnastik, weil diese Spannbreite aufgespannt werden kann.“ Sie befand der Text halte dieser Spannbreite stand.

Michael Wiederstein fand, es sei interessant, dass so ein Zollfreilager in einen Berg verfrachtet wird. Es werde die „Oberflächlichkeit des Kunstmarktes“ problematisiert, man könne den Figuren nicht mehr trauen. Man könne dem, was im Text geschieht, nicht wirklich trauen, aber es sei „wunderbar“.

„Einzigartig affektfreier Erzähler“

Sandra Kegel war der Ansicht, das Interessante sei, dass es sich hier um einen Recherche-Plot handelt, so ein affektfreier Erzähler sei „einzigartig in der Literatur“. Eine Frage, die für sie offen geblieben sei, beziehe sich auf die Kunst- und Filmliebhaberin. „Ist die Welt des Geldes wirklich eine Welt ohne Affekte? Ist es nicht die Ökonomie, die die verrücktesten Affekte hervorbringt?“
Stefan Gmünder stimmte mit Winkels überein, die Flashbackszene zu Casablanca finde er schön. „Sehr fein.“

Sandra Kegel

ORF/Johannes Puch

Sandra Kegel

Winkels ergänzte, der Text bediene nicht den „Fetisch-Charakter“ der Waren, „As Time Goes By“ bringe es perfekt auf den Punkt, „die Sprache hält uns in dieser Kälte“. Das sei eine reine Spekulationswelt, die Schweiz sei trotz des Settings kein Thema.

„Text jenseits klassischer Figuren“

Klaus Kastberger konterte, es hätte natürlich mit der Schweiz als Umschlagort zu tun. Was er gut gefunden habe, sei, dass es ein Text „jenseits klassischer Narration“, jenseits klassischer Figuren sei. Das schaffe der Text aber mit einfachen Mitteln, man habe das Gefühl man schaue hinter die Kulissen. „Casablanca“ und „A Time Goes By“ sollte man kennen, um den Text zu verstehen. Er fügte dem hinzu, man könne den Text auch auf die Situation hier bei den Tagen der deutschsprachigen Literatur beziehen, er stelle die Frage, wie kulturelle Werte geschaffen werden. „Dieser Text ist nicht umsonst da.“

Klaus Kastberger

ORF/Johannes Puch

Klaus Kastberger

Hier in Klagenfurt geschehe Ähnliches wie in dem Zollfreilager im Text. Dem stimmte auch Winkels zu. Auch Keller nahm die Analogie gerne an. Sie denke, der Text verfüge über die Möglichkeit als literarische Reportage oder als etwas mehr zu funktionieren. „Der große Schmalzfilm der Nachkriegszeit ist hier runtergeschnallt auf die Vision einer Frau.“

Feßmann zweifelte weiterhin, der Text kokettiere mit der Oberflächlichkeit der Kunstszenerie, aber darüber wisse sie Bescheid. Sie halte es nicht für vernünftige Ästhetik. Winkels schloss, entweder es gefalle einem, oder eben nicht.

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