Jackie Thomae lässt Welten aufeinanderprallen

Von Hubert Winkels eingeladen, trug die 1972 geborene Jackie Thomae als vorletzte Lesende des zweiten Tages ihren Text „Cleanster“ vor. Es gab gute Kritiken für das Aufeinanderprallen von Kulturen beim Putzen.

Darin wird anhand einer Begegnung zwischen einer Büroangestellten und einer aus dem Ausland stammenden Putzkraft der Zusammenprall zweier Kulturen geschildert. Trotz des auf beiden Seiten vorhandenen Wunsches, es der jeweils anderen Partei recht zu machen, behalten Fragen und ein durch Abwesenheit richtiger Kommunikation verursachtes Unverständnis die Oberhand. In das vermeintlich kulturell bedingte Verhalten von Migranten wird zuviel hinein interpretiert. Das wirkt anmaßend und zeigt den in der westlichen Gesellschaft latent vorhandenen und „gutgemeinten“ Rassismus.

Jackie Thomae

ORF/Johannes Puch

Hildegard Keller

„Zwei Welten prallen aufeinander“

Als erste meldete sich Meike Feßmann zu Wort. In dieser Geschichte würden zwei Welten aufeinander prallen, die Welt der Ausbeutung und die Welt des Mittelstandes. Dies führe zu Fettnäpfchen, da man in der westlichen Gesellschaft jemanden brauche, der für die alltäglichen Dinge sorgt. Das Problem der Putzfrau sei in vielen Haushalten Thema. Die Peinlichkeit sei, dass man jemanden in die Wohnung lässt, ein Fremder sehe so die intimsten Bereiche. Diesen Widerspruch finde sie gut beschrieben, auf der anderen Seite gebe es die Fettnäpfchen mit Klischees. Der Text sei dennoch „gut erzählt, aber etwas zu glatt für das Thema.“

Hildegard E Keller

ORF/Johannes Puch

„Leichtigkeit“ gefiel Kastberger

Klaus Kastberger gefiel die Leichtigkeit des Texts, die solle man nicht mit gesellschaftlicher Problematik überfrachten. Daher fand er sich unter anderem an Formate wie „Sex and the City“ erinnert. Man müsse sich erst an solche Verhältnisse mit Putzkräften gewöhnen. Es würden Unsicherheiten auf beiden Seiten erzählt werden, eine schöne Brechung sei, dass nicht ein alter Mann den Auftrag zum Putzen gibt, sondern eine junge Frau. Der Text sei „flott erzählt, hat Schwung.“ Die Dringlichkeit und Notwendigkeit in diesem Format sei ihm abgegangen, dennoch habe ihn hier nichts gestört.

Ein Zusammenprall der Zivilisationen

Sandra Kegel stimmte Kastberger zu in der Annahme, es sei ein Kammerspiel. Sie sah einen „Clash of Civilisations“, dieses Stück hätte das Potential zu zwei hochgestochenen Portraits. Die Willkommenskultur sei hier als übergriffig dargestellt, es sei aber realistisches Erzählen. Der Moment, in dem man denke, ja so ist es, gehe aber verloren. Der Migrant sei offensichtlich traumatisiert, er denke, er sei ein Niemand. Dann aber sei das, was folge, nicht mehr schlüssig. Nach dem Klingeln an der Tür sei er zu schnell wieder gefasst und wende sich wieder kleineren Problemen zu. Das würde Kegel dem Text vorwerfen.

Jackie Thomae

ORF/Johannes Puch

Keller hätte gern mehr über Kundin gelesen

Hubert Winkels sah in dem Text eine Urszene, die woanders her komme, nämlich aus der Migration der Putzkraft. Es reiche, dessen Traumatisierung kurz anzusprechen. Kegel bestand darauf, der Putzende sei zu gefasst.

Hildegard Keller teilte die geteilte Haltung. Sie hob die Struktur des Texts und das Zusammenspiel der Figuren hervor, die Figur des Migranten auf der einen und die der Kundin auf der anderen Seite. Es ergebe sich ein Gefühl, dass da zu wenig Dringlichkeit vorhanden ist, da sich der Text zu oft in Seitenbeobachtungen verliere. Sie hätte aber gerne mehr über die Kundin gelesen.

Michael Wiederstein lobte die Hörspielqualitäten des Vortrags. Auch den Text fand er „toll“, es sei die Bigotterie der Wohlstandsgesellschaft dargestellt, die Bigotterie derer, die Leute für Jobs anstellen, welche sie nicht selbst machen wollen. Das sei eine zentrale Qualität des Texts.

Political Correctness „mehr herausarbeiten“

Stefan Gmünder bezog sich ebenfalls auf die neue Wirtschaftslage, die zu solchen Situationen führe. Das Problem der Political Correctness hätte man mehr elaborieren können. Kastberger wollte nicht die Dringlichkeit des Texts mit der psychischen Verfassung eines der Charaktere verbunden wissen. Es sei indifferent, was der Text erzählen wolle. Der eine Strang erzähle, wie einer zitternd unter einem Tisch sitze. Die andere Frage sei, wie die Umgangsform der Kundin mit dem Migranten sei. Das sei das, was noch am ehesten zur Frage der Political Correctness führe. Der Umgang der Kundin mit der Putzkraft zeige intime Übergriffe. Die Leichtigkeit bediene, dass alles nur angesprochen sei. Die Dringlichkeit sei „nicht die Sklavenvergangenheit“.

Sandra Kegel

ORF/Johannes Puch

Sandra Kegel

Winkels mag Dialoge und Lässigkeit

Winkels meinte, wenn man sich an „Breaking Bad“ und „Sex and the City“ erinnert fühlt, spreche das für den Text. Er mochte die Dialoge und die Lässigkeit. Das Hauptmotiv, um das sich alles drehe, sei das Selfie, das der Putzer von sich macht. Es tue einem weh, wenn man liest, wie seine Familie im Glauben gelassen wird, in Deutschland gehe es ihm gut. Er flüchte sich in eine Imaginationswelt, die Reaktion der Leute sei der Glaube, es gehe ihm gut. Die Art, wie das erzählt ist, finde er „extrem gut“.

Feßmann: „Durchaus originell“

Feßmann erinnerte an andere literarische Texte, in denen ebenso Putzkräfte vorkommen. Dieses Smartphone, das in der Mitte stehe, sei das Zeugnis von „Plattform-Kapitalismus und Kommunikation mit der Familie daheim“. In dieser Ausgewogenheit sei der Text „durchaus originell“. Stefan Gmünder meinte, die Political Correctness stelle den Druck dar, der auf dem Putzer liegt, nach wie vor finde er es aber „zu angetippt“. Keller schloss die Diskussion mit der Bemerkung, heute sei „der Tag der Kundenbeziehungen“, das gefiele ihr, da den Klagenfurter Texten oft vorgeworfen worden sei, sie wären nicht welthaltig.

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