Jurydiskussion Leander Fischer

Der Österreicher Leander Fischer las auf Einladung von Hubert Winkels seinen Text „Nymphenverzeichnis Muster Nummer eins Goldkopf“. Darin verschwimmt Musik mit dem Fliegenfischen. Die Jury äußerte sich sehr positiv.

Ein Musiklehrer für Saiteninstrumente verfällt dem Fliegenfischen, die von ihm angefertigten Fliegen entsprechen jedoch nicht den Vorstellungen seines Lehrers. Währenddessen hört die beste Schülerin des Ich-Erzählers auf zu spielen und der Musiklehrer erreicht einen negativen Höhepunkt, woraufhin er ein Heft mit Fliegenmustern verbrennt.

Lesung Leander Fischer

ORF/Johannes Puch

Leander Fischer

Als erster beurteilte Michael Wiederstein Fischers Text und stellte fest, es sei immer wieder überraschend, wie die zufällige Lesereihenfolge immer wieder Sinn mache. Der Vortrag habe ihm nicht gefallen, das werde durch den Text aber wieder ausgeglichen. Wenn jemand in einer ästhetischen Disziplin vorankommen wolle, werde alles andere dem untergeordnet, darüber spreche der Text. Darunter leide auch die dargestellte Paarbeziehung. Die Erotik und Eifersucht stecke aber schon in den Nymphen. Der Text habe einen ironisierten Grundton, man warte immer auf das nächste große Genie, aber was dabei auf der Strecke bleibe, gehe oft unter. Das werde hier thematisiert.

Tag drei

ORF/Johannes Puch

v.l. Gmünder, Winkels, Keller und Wilke

„Sprache schafft eine Nymphe“

Insa Wilke bezog sich noch einmal auf Ines Birkhans Text und befand, in Fischers Text entstehe bei der Montage etwas Drittes, genauso, wie ein Text das leisten sollte. Durch Sprache werde eine Nymphe geschaffen. In diesem Text gebe es zwei Kunstdiskussionen. Zum einen die Frage rund um Kunst gegen Bürgerlichkeit, wo es darum gehe, das Leben für die Kunst zu opfern. Zum anderen um die Frage, ob man nachahmen oder etwas Neues erschaffen solle. Der Coup des Texts sei, dass der Musiklehrer auf die vorgegebenen Muster verzichte.

Von der perfekten Fliege

Klaus Kastberger machte kund, er wisse genau, wovon der Text spreche, da er in der im Text erwähnten Stadt aufgewachsen sei. Es gebe Leute in Gmunden, die ihr Leben danach trachten, die perfekte Fliege zu schaffen. Er habe sich immer gewundert, das so nicht bei Thomas Bernhard vorzufinden. Der Text habe ein stiftersches Element, die ganze Welt stecke in der Fliege, „sehr reizvoll“. Das sei eine spannende Situation, alles sei „okay und gut so“. Zeitgleich sei der Text auch sprachlich gut. Der Name „Ernstl“ sei zum Beispiel eine Kombination der am häufigsten vorkommenden Buchstaben. Er wisse nicht, ob es alles, was in dem Text vorkomme, gebe, aber das sei gar nicht wichtig. Der Text werde zum Ende hin selbstreferenziell und es sei „ein Vergnügen, den Text zu Lesen“.

Klaus Kastberger

ORF/Johannes Puch

Klaus Kastberger

Hildegard Keller brachte ein, es sei ein Text über Miniaturkunstwerke und es sei auch selbst ein Miniaturkunstwerk. Die lokale Semantik und das Musikalische fand sie interessant. Der Vortrag habe ihr geholfen, den Text besser zu verstehen. Die Elemente stoßen aneinander und es sei eine gekonnte erzählerische Leistung. „Ganz furios gemacht.“ Sie habe bei der Lektüre bloß nicht verstanden, wie es zu dem Brand am Ende komme.

Gomringer: vibrierend-aggressiv

Nora Gomringer führte aus, der Brand sei die letzte Konsequenz des Texts. Der Musiklehrer sei passiv-aggressiv, sie fand das alles „vibrierend-aggressiv“. Sie kenne selbst Fliegenfischer, wie sie im Text gezeichnet werden, das sei alles gut geschildert. Der Lehrer sei ein klug gebauter Charakter. Das Prinzip „Grob vs. Gentleman“ kenne sie aus der Region, in der sie aufgewachsen sei. Diesen Widerspruch fand sie gut dargestellt.

Stefan Gmünder gab zu, viele Stunden geschwänzt zu haben, um zu fischen. Wie im Text dargelegt, sei Fliegenfischen eine Gentlemanbetätigung. Ein Grundsatz des Gentlemanhaften sei „Never explain, never complain – Erkläre nie, beschwere dich nie“. Der Text entwickle sich in eine Partitur, schön finde er die Feststellung: „Das Erlebnis zählt, nicht das Ergebnis.“

Wilke fand, die Präzision der Sprache könne mit dem Text von Schultens verglichen werden. Der obsessive Fliegenfischerlehrer sage ständig, man müsse präzise sein. Dem widerspreche der Musiklehrer, trotzdem nehme er das auf. Jedoch beziehe er das Leben mit ein.

„Fliegenfischen hat etwas Weltfremdes“

Hubert Winkels, der den Autor nach Klagenfurt eingeladen hatte, äußerte, er habe manchmal das Gefühl, Fliegenfischen mute als etwas weltfremd an. Das sei aber nicht so. In „Aus der Mitte entspringt ein Fluss“ gehe es auch ums Fischen, Paulus Hochgatterer habe ein Buch über Fliegenfischen geschrieben. Er habe sich gefragt, was Menschen derart daran interessiere. Die Kunst einen Köder herzustellen, sei das Wesentliche. Es gebe immer wieder Hinweise darauf, was dabei wichtig sei. Man verarbeite Natur, um in der Kunst andere, nämlich Fische, anzulocken. Die Fische fallen der Mimesis zum Opfer.

Es gehe aber noch weiter. Es werde gefischt, die Nymphen werden ins Wasser geworfen, da komme die Idee aus der größten Künstlichkeit, ein Erlebnis sui generis zu schaffen und die Rezipienten zu betrügen. Der Realismus werde gesteigert, die Forelle müsse die Goldkopfnymphe als das Leben begreifen. Der Text habe auch ein extatisches Moment.

Kastberger meinte, dieser Text habe schon im Vorfeld „die Forelle Hubert Winkels am Haken“ gehabt und jetzt sieben Jurorinnen und Juroren. Zusätzlich heiße der Autor auch noch Fischer. Er wisse aber nicht, ob das alles für den Text spreche.

Lesung Birkhan Winkels

ORF/Johannes Puch

Hubert Winkels

Gmünder warft ein, ihm gefalle auch die Gestaltwandlung, die Metamorphose.

Wilke wollte noch einmal über Brutalität und Grausamkeit in Zusammenhang mit diesem Text und den Tagen der deutschsprachigen Literatur sprechen. Man sei als Jury immer wieder mit dem Wunsch konfrontiert, es möge Blut fließen. Sie finde es schön, dass das vom Text thematisiert und auf diese Weise auf den Punkt gebracht.

Kastberger bemerkte, die Vorstellung, es gebe für jeden Fisch die eine Fliege, sei etwas zutiefst Soziologisches und werde hier ins Groteske gesteigert. Das sei das „extremste Bild menschlicher Manipulierbarkeit“.

In Kellers Augen seien die Sprachspielereien das Wesentliche. Zum Teil gehe es überhaupt nicht auf, es fließe aber alles ineinander, „das finde ich wirklich großartig“.