Jurydiskussion FALKNER

FALKNER las auf Einladung von Klaus Kastberger den Text „Krieger sein Bruder sein - Manifest 47“. Die Jury diskutierte darüber, ob es sich um ein Manifest handle oder nicht, wurde sich aber nicht einig.

Falkners Text „Manifest 47“ schildert ein Morden von Scharfschützen, die in Kirschbäumen sitzen, und etwa jeden erschießen, der mit den Kirschkernen nicht weit genug spucken kann. Gewalt und Zuneigung verdichten sich in brutalen, absurden Bildern, in denen viel Blut fließt und einzelne Körperteile ebenso wenig wert sind wie ganze Leben.

Der Text rief bei der Jury vor allem eine Diskussion darüber hervor, ob er nun tatsächlich ein Manifest sei oder nicht. Und wenn nicht, was anderes sonst? Die „Allegorie einer Staatsmacht“ vielleicht, schlug Meike Feßmann vor, verneint diese Idee aber selbst.

Lesungen Truschner Falkner

Johannes Puch

Feßmann stellte fest, dass der Text jede Ordnung verweigere und aus Fragmenten bestehe. Als gedankliches Konzept leuchte ihr dieser Aufbau ein, in der Wiederholungsstruktur empfinde sie ihn aber als „ergebnislos“. „Das wird nicht mein Lieblingstext werden“, so Feßmann.

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Johannes Puch

Sandra Kegel: Nichts Neues.

„Der Text will eine politische Parabel sein“, meinte Sandra Kegel und fand relativ wenig Gefallen daran. Der Text böte ihr „nichts Neues“. Sie kritisiert das Fehlen von Satzzeichen und den Widerspruch der Satzzeichen zwischen dem schriftlichen und dem vorgetragenen Text.

Den Anfang des Textes habe er gemocht, sagte Juror Stefan Gmünder, dann aber „überschwemmt eine Dynamik den Text“. Auch er kritisierte die Verwendung der Satzzeichen im gedruckten Text.

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Johannes Puch

Keller: Kastberger will Lücken füllen.

Winkels: Kein Manifest

Für Hubert Winkels ist „Manifest 47“ kein Manifest. Ein Manifest müsse „in der Regel einmalig und normativ sein und die Welt unter sich zusammenfassen“. Daran scheitere Falkners Text indem er „jedes Angebot, das er macht, zugleich wieder zerstört“. Für seinen Geschmack gebe es zu wenig „Konsistenz“ und „Einheitlichkeit“.

Kastberger: Sehr wohl Manifest

Klaus Kastberger sah in Falkners Text hingegen tatsächlich ein Manifest, das sich aus seiner Sicht auf die akltuelle Flüchtlingssituation in Europa bezieht. „Ein Manifest gibt es dort, wo etwas nicht in Ordnung ist, und die Welt wird derzeit von Vielen als etwas betrachtet, das sich im Ausnahmezustand befindet“, sagte Kastberger. Ihm „wird es teilweise gruselig bei dem Text“, sagte Kastberger und meinte das durchaus positiv.

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Retourkutsche an Kastberger

Es folgte ein Schlagabtausch unter den Jury-Mitgliedern: Hildegard Keller entgegnete Kastberger, dass nun er mit seinen Erklärungen die Lücken des Textes füllen würde. Ein Vorwurf, den Kastberger im Anschluss an die Lesung von Peter Truschner an Juri Steiner gerichtet hatte.

Für sie handle es sich keinesfalls um ein Manifest, dazu fehle der „explosive Appellcharakter“. Und zur Diskrepanz zwischen still gelesener und vorgetragener Variante sagte Keller: „Wenn dieser Text funktionieren will, muss er vorgetragen werde“. Feßmann, ebenfalls an Kastberger gerichtet, sagte, er habe sich in einen Widerspruch verwickelt.

Steiner: Meta-Manifest

Juri Steiner identifiziert in dem Text ein Meta-Manifest. Im Text werden einerseits Gruppen und Gegensätze geschaffen, Gewalt und Brutalität, die es zu überwinden gelte. Und dann gebe es Freundschaft und Liebe, das komme selten vor in Manifesten, meinte Steiner. Die Möglichkeit, dass Freundschaft die Macht brechen könne, aber doch ausweglos sei, im Bemühen um Harmonie, das ergebe für ihn „ein Manifest, das sich in den Schwanz beißt“, ein „Meta-Manifest“.

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