Jurydiskussion Ronja von Rönne

Ronja von Rönne wurde von Juryvorsitzendem Hubert Winkels eingeladen. Mit ihrem Text „Welt am Sonntag“ tat sich die Jury etwas schwer. Winkels erklärte seinen Kollegen die Geschichte noch einmal. Gmünder sah sich sogar an US-Autor J.D. Salinger erinnert.

Im Text versucht eine junge Frau der „Generation Produktiv“ den Schein der beschäftigten und erfolgreichen Geschäftsfrau zu wahren, unter anderem indem sie eine erfundene „Geschäftsreise“ nach Karlsruhe unternimmt.

Schwitter rönne Jury

Johannes Puch

Meike Feßmann fand den Text aufgrund seiner Posen und seiner Provokationen einerseits „amüsant und raffiniert“, die Selbstbezüglichkeit darin aber extrem „ärgerlich und banal“. Daraufhin langes Schweigen der Jury.

Die Juroren erweckten den Eindruck der Ratlosigkeit, als ob sie nicht wüssten, was sie zu dem Text sagen sollten. Hubert Winkels, der die Autorin eingeladen hatte, ergriff das Wort, indem er die Handlung des Textes interpretierte und nacherzählte. Die Welt, in der sich die Figur der Geschichte zurechtfinden müssen, sei „auf zeitgemäße Weise vermittelt“, der Text sei „berührend“.

Schwitter rönne Jury

Johannes Puch

Hildegard Keller erkannte in der Geschichte eine dekadente, postmoderne, zornbereite provokante und schnoddrige Ich–Erzählerin, die durch das frühe 21. Jahrhundert spaziere. Diese Figur sei „sehr konsequent konstruiert“, „die Figur überzeugt als Figur“, so Keller. Allerdings sei für sie nicht nachvollziehbar, warum die Figur in ihrer Pose kippe und alle ihre Einstellungen vom Beginn der Handlung in Frage stelle.

Juri Steiner fand genau diese Stelle im Text spannend, das Kippen der Hauptfigur sei „eine spannende Ausgangslage für etwas Neues“.

Rönne Schwitter

Johannes Puch

Winkels stimmte zu; der Text lasse den Leser „mit einer existentiellen Spannung“ zurück. Stefan Gmünder zog Vergleiche zwischen dem Text und Popliteratur. Für ihn gehe es darin nicht, wie zuvor von seinen Jury-KollegInnen gesagt, um Langeweile und Dekadenz, sondern um „Sehnsucht nach Intensität und Authentizität“. Das Ablaufdatum dieses Textes sei wohl länger als das der Popliteratur, aber es handle sich hierbei „nicht um meinen Lieblingstext“, so Gmünder.

Kastberger: Erinnerung an Salinger

Klaus Kastberger fühlte sich durch den Text an die kurzen Geschichten über Jugendliche im Amerika der frühen 1950er-Jahre des US-Amerikanischen Autors Jerome David Salinger erinnert (Der Fänger im Roggen, Anm.). Auch darin gehe es um „leergelaufene Rituale und warmselige Sinnlosigkeit“. In seiner ganz persönlichen Wertung des „besten ersten Satzes in den Texten der TDDL 2015“ reihte Kastberger Ronja von Rönnes ‚Ich wache auf und mir ist schlecht‘ an erste Stelle. Damit habe er jetzt zumindest etwas Gutes über den Text gesagt. Die Moral der Geschichte sei für ihn: „Wenn man den Sinn des Lebens sucht, soll man bitte nicht nach Karlsruhe fahren“.

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„Jeder solle nach Karlsruhe fahren “

Winkels entgegnete, dass Karlsruhe „eine der schönsten Städte, die es gibt“ sei. Man könne jedem raten, nach Karlsruhe zu fahren. Darauf Kastberger in Bezug auf die Handlung im Text: „Warum gibt’s dort Rotkäppchen Sekt?“ (Marke aus der ehemaligen DDR; Anm.) Winkels: „Der wird in Deutschland am häufigsten getrunken.“ Dadurch fühlte sich die Jury noch kurz angeregt zu einem gesellschaftspolitischen Diskurs über Marken, Rollenzwang, „das System“ und Selbstintensivierungs-Strategien. Offen blieb die Frage, ob sich die Figur des Textes nun anpassen oder provozieren wolle.

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