TddL: Jonke-Klänge und Gesellschaftskritik
Susanna Ridler und Wolfgang Puschnig gestalteten den musikalischen Rahmen des Abends und entführten die Zuschauer gleich zu Beginn in eine surrealistische Welt von vertonten Texten Gert Jonkes, die atmosphärisch verdichtet eine klare Zäsur mit der Wirklichkeit schafften.

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Susanna Ridler und Wolfgang Puschnig
Moderator Christian Ankowitsch erinnerte nach einleitenden Worten und der Begrüßung der Ehrengäste und Sponsoren daran, dass Gert Jonke der erste Bachmann-Preis Preisträger gewesen sei. Seine Texte seien sehr akustisch gewesen. Er habe alles gehört, bevor er es geschrieben habe. Die heurigen Autoren sollen nun das Publikum hören lassen, was sie schon zu Papier gebracht haben. In diesem Jahr, so Ankowitsch, seien sehr unterschiedliche schriftstellerische Formate im Rennen.
Bernhard: Blick nach Innen
Nach der Begrüßung durch Moderator Christian Ankowitsch folgte die Rede von Landesdirektorin Karin Bernhard. „Ich existiere nur, wenn ich schreibe.“ Mit diesem Zitat von Ingeborg Bachmann begann die Hausherrin ihre Rede zum Auftakt der 41. Tage der deutschsprachigen Literatur. Bevor sie darauf einging, begrüßte sie aber die anwesenden Ehrengäste und bedankte sich bei den langjährigen Kooperationspartnern BKS und Kelag. Sie wies darauf hin, dass 3sat seit 29 Jahren die Lesungen überträgt und dass die heurigen Tage der deutschsprachigen Literatur erstmals auch vom Deutschlandfunk übertragen werden. Nicht zuletzt galt ihr Gruß den Jury-Mitgliedern, den Gästen und natürlich den 14 Autorinnen und Autoren, deren „Existenz im Tiefsten mit dem Schreiben verbunden ist“.

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Die „Hausherrin“ des ORF Landesstudio Kärnten, Karin Bernhard, bei ihrer Eröffnungsrede
Bernhard nahm auf Bachmanns Erzählung „Das dreißigste Jahr“ Bezug, um darauf hinzuweisen, „dass nirgends Halt und Sicherheit ist und uns letztlich nichts anderes übrig bleibt, als unseren Blick nach innen zu richten“, wo laut Bachmann „die Heiligen sich noch nicht für sie verwandt und die Verbrecher keinen Blutfleck gelassen haben.“ In diesem Sinne sei die Literatur ein ernstes Geschäft „in dem tagtäglich nicht weniger als das Leben verhandelt wird“. Daher müsse man die Welt gründlich betrachten und den Mut zur Individualität haben. Da zeige sich, was es bedeutet, „nur durch das Schreiben existieren zu können“. Auch der Literatur, die hier in Klagenfurt präsentiert wird, traue Bernhard eine solche Kraft zu.

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Bürgermeisterin Maria-Luise Mathiaschitz
Mathiaschitz: Schönster Betriebsausflug der Literatur
Klagenfurts Bürgermeisterin Maria-Luise Mathiaschitz (SPÖ) freute sich in ihrer Rede auf den „schönsten Betriebsausflug der Literatur“, der „ein hohes Maß an Aufmerksamkeit“ den Teilnehmern und der Stadt Klagenfurt entgegenbringe. Sie würdigte in diesem Zusammenhang den Initiator des Bachmannpreises, Humbert Fink, dessen Todestag sich heuer zum 25. Mal jährt. Ihm sei es wichtig gewesen, den Namen von Ingeborg Bachmann in Erinnerung zu behalten und einen Literaturwettbewerb in ihrer Heimatstadt durchzuführen. Mit seinen mittlerweile vier Jahrzehnten habe der Bachmann-Preis längst Tradition. Immer wieder stechen Texte heraus, die etwas Besonderes seien.

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Dinesh Chenchanna
Sponsoren: Enge Verbindung zu TddL
Danach folgte die Ansprache von 3sat-Koordinatorin, die bekräftigte, dass Literatur ein fester Bestandteil des Programms des Senders sei. In diesem Jahr gehe es wie immer darum, neue Stimmen zu hören.

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Christian Ankowitsch, LH Peter Kaiser und Erich Wappis
Bei einem darauf folgenden Frage-und-Antwort-Spiel setzten sich LH Peter Kaiser (SPÖ) und Gemeinderat Erich Wappis mit literatur- und bachmannbezogenen Fragestellungen auseinander. Kaiser wies auf die Relevanz der kärntner Schriftsteller hin und erklärte, wie wichtig der Ingeborg-Bachmann-Preis sei. Wappis wurde gefragt, welches Buch er seinen Freunden empfehlen würde. Er erinnerte sich an ein Buch, das sich kritisch mit der Informationsflut auseinandersetze.
Seitens der Sponsorenvertreter wurden Herta Stockbauer (Vorstandsdirektorin der BKS) und Manfred Freitag (Kelag-Vorstand) auf die Bühne gerufen, um den engen Bezug ihrer Unternehmen zum Bachmannpreis zu erläutern.

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Christian Ankowitsch, Herta Stockbauer und Manfred Freytag
Winkels: Lesen ermöglicht „Eindringen“ in Text
Im Anschluss erfolgte die Präsentation der sieben Jurymitglieder, darunter mit Michael Wiederstein (D, CH) ein neues Gesicht, der Juri Steiner ersetzt, welcher dem Bewerb auf eigenen Wunsch den Rücken kehrte - mehr dazu in Juroren.

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Jury-Neuzugang Michael Wiederstein - zwischen seinen Kolleginnen Meike Feßmann und Hildegard E. Keller - ersetzt Juri Steiner
Den Juryvorsitz hat wie im Vorjahr Hubert Winkels inne. In seiner Rede ließ er die vergangen Editionen Revue passieren und verwies darauf, dass die Tage der deutschsprachigen Literatur in den vergangenen vier Jahrzehnten ein innerer Teil der allgemeinen Kontinuität der deutschsprachigen Literatur geworden seien. Das Besondere an diesem Bewerb sei die Live-Situation und die Performance. Diese würden die Stimmung erst spannend machen.

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Juryvorsitzender Hubert Winkels
Dass die Juroren die präsentierten Texte bereits im Vorfeld des Bewerbes lesen können sei wichtig, da man nur dadurch in den Text „eindringen“ könne. Das gelte nicht nur für die Juroren, sondern auch für die Zuhörer im Saal und für die Nutzer digitaler Medien, die die Texte online abrufen. Über das Lesen passiere etwas anderes als beim Hören, erinnerte Winkels.
Bereuter: „Prellbock“ für Moderatoren
Christian Ankowitsch begrüßte danach auch Zita Bereuter, die seit dem Jahr 2015 das Zwischenprogramm vom Wettlesen aus dem Garten des Landesstudios moderiert. In dieser Funktion müsse sie ausbaden, was im ORF-Theater falsch laufe. Sie müsse nämlich ihre Moderationen kürzen beziehungsweise anpassen, wenn drinnen länger diskutiert und überzogen wird.
Wie jedes Jahr gebe es auch ein neues Bühnenbild, heuer wurde es wieder Klaus Wachschütz entworfen.

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Das ORF Theater in der Sponheimerstraße war am Eröffnungsabend gut gefüllt
Die Lesereihenfolge
Als erste geht Karin Peschka (Österreich) am Donnerstag um 10.00 Uhr an den Start. Geboren 1967 in Linz, lebt sie in Wien und liest auf Einladung von Stefan Gmünder - mehr dazu in Die Lesereihenfolge 2017. Neben ihr treten für Österreich Verena Dürr und Ferdinand Schmalz an. Der junge Schriftsteller Björn Treber aus Spittal an der Drau ist ebenso dabei wie der US-amerikanische Autor John Wray, dessen Mutter aus Friesach stammt - mehr dazu in Autoren 2017.
Am Sonntag stimmen die Juroren ab, wer die Ehre und die 25.000 Euro Preisgeld für den Bachmann-Preis mit nach Hause nimmt. Erstmals wird heuer der Deutschlandfunk-Preis in der Höhe von 12.500 Euro - als fünfter, zusätzlicher Preis - vergeben - mehr dazu in Preise und Preisstifter.

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Franzobel bei der Rede zur Literatur
Franzobel präsentierte „Seelenfutter“
Mit Spannung wurde bei der Eröffnung die 18. Klagenfurter Rede zur Literatur erwartet, die heuer der Schriftsteller Franzobel hielt. Unter dem Titel „Seelenfutter oder das süße Glück der Hirngerichteten“ setzte sich der Bachmann-Preisträger des Jahres 1995, der zuletzt den viel beachteten Roman „Das Floß der Medusa“ veröffentlichte, im ORF-Theater mit der Bedeutung von Literatur in unserer Zeit auseinander. Franzobel alludierte an Bachmanns berühmten Ausspruch, der laut ihm wie folgt heißen sollte: „In Wahrheit ist der Mensch die Zumutung.“ Damit wurde seine Rede gesellschaftskritisch und machte das Publikum auf die Perversion des heute vorherrschenden Kapitalismus und Neoliberalismus aufmerksam.
„Literatur ist Kampf – gegen die Verdummung, Herzlosigkeit, Ignoranz, Lustfeindlichkeit, Engstirnigkeit, aber ebenso gegen die Verknechtung durch die Absolutheits- und Wahrheitsalleinbeansprucher.“ Literatur habe die Verantwortung, sich für die Unterdrückten einzusetzen und Literatur habe „die Pflicht, sich einzumischen, anzuschreiben gegen Kleingeister und Nationalisten, Europazertrümmerer, Weltzerstörer“ so die Conclusio - mehr dazu in Rede zur Literatur: „Seelenfutter“.
Damit wurde der Eröffnungsabend beendet und die Anwesenden Besucher wurden zu geselligem Beisammensein eingeladen.
Das Programm der 41. TDDL
Donnerstag, 6. Juli
10.00 bis 15.30 Uhr
Autoren/Autorinnen-Lesungen
Jury-Diskussionen
Freitag, 7. Juli
10.00 bis 15.30 Uhr
Autoren/Autorinnen-Lesungen
Jury-Diskussionen
Samstag, 8. Juli
10.00 bis 14.00 Uhr
Autoren/Autorinnen-Lesungen
Jury-Diskussionen
Sonntag, 9. Juli
11.00 bis 12.00 Uhr
Preisvergabe
Die Lesungen um den Preis sind frei zugänglich, im Lendhafen gibt es ein Public-Viewing der 3sat-Liveübertragung des Bewerbes. Die Eröffnung, alle Lesungen und Jurydiskussionen werden live im Internet übertragen und stehen danach on demand zur Verfügung. Alle Texte der Autoren sind nach den Lesungen ebenso abrufbar wie die Rede zur Literatur. 3sat überträgt die Lesungen, Diskussionen und Preisverleihungen live.