Tanja Maljartschuk gewinnt Bachmannpreis 2018
Die Ukrainerin Tanja Maljartschuk schreibt auf Deutsch und gewann mit dem Text „Frösche im Meer“. Sie wurde von Stefan Gmünder zum diesjährigen Bewerb eingeladen, er hielt auch die Laudatio. Sie thematisiert im Text das zuweilen fehlende Interesse der jüngeren Generation an ihren betagten Verwandten und die Probleme einer sozial ungleichen, von der Natur entrückten und xenophoben Gesellschaft. Die Jury zeigte sich größtenteils vom Text überzeugt – mehr dazu in Jurydiskussion Tanja Maljartschuk.

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Tanja Maljartschuk flankiert von Landeshauptmann Peter Kaiser, rechts ORF-Landesdirektorin Karin Bernhard, Klagenfurter Bürgermeisterin Maria Luise Mathiaschitz
In einer ersten Reaktion sagte sie, sie sei geschockt, sie habe nicht damit gerechnet und keine Worte. Es sei ihr von Anfang an klar gewesen, welche Geschichte sie für den Bachmannpreis schreiben würde. Das Thema Flüchtlinge und verlassene Menschen beschäftige sie. Sie sei selbst emigriert, das sei ihr Thema.

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Alle Preisträger, v.l.: Bov Bjerg, Özlem Özgül Dündar, Tanja Maljartschuk, Raphaela Edelbauer, Anna Stern
Deutschlandfunkpreis für Bov Bjerg
Bov Bjerg wurde von Klaus Kastberger nach Klagenfurt geholt und präsentierte seinen Text „SERPENTINEN“; laut Jury ein starker Text. Darin werden Episoden aus dem Leben des Ich-Erzählers Höppner und dessen siebenjährigen Sohnes dargestellt. Die Abschnitte des Texts bieten wenig Orientierung, jedoch werden nach und nach Zusammenhänge erkennbar. Dem gegenüber stehen einerseits die klare Sprache und andererseits ganz konkrete Situationen in der Vater-Sohn-Beziehung – mehr dazu in Jurydiskussion Bov Bjerg.

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Bov Bjer, Mitte, links Klaus Kastberger, rechts Matthias Gierth vom Deutschlandfunk
Vier Wahlgänge für KELAG-Preis
Um den mit 10.000 Euro dotierten KELAG-Preis gab es eine Stichwahl zwischen Joshua Groß, Anna Stern und Özlem Özgül Dündar. Dann gab es eine zweite Stichwahl zwischen Dündar und Stern, und noch eine Wahl zwischen Groß und Dündar, das Dündar für sich entschied. Dündar las auf Einladung von Insa Wilke den Textauszug „und ich brenne“, in dem vier Ich-Erzählerinnen, allesamt Mütter, im Mittelpunkt stehen. Die Jury fand Gefallen an dem Text, der durch vollkommende Abwesenheit von Großbuchstaben und Satzzeichen hervorsticht – mehr dazu in Jurydiskussion Özlem Özgul Dündar. Die Laudatio hielt Insa Wilke.

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links Inka Wilke, Özlem Özgül Dündar, Werner Pietsch KELAG
Drei Wahlgänger für 3sat-Preis
Zunächst gab es eine Stichwahl zwischen Rahphaela Edelbauer und Anna Stern. Joshua Groß hatte sich für das Finale qualifiziert, dann gab es eine Stichwahl zwischen Groß und Stern, die Stern für sich entschied. Der Text „Warten auf Ava“ der Schweizerin Anna Stern stieß bei der Jury teilweise auf Unverständnis. Sie ortete Erklärungsbedarf für die einfühlende Geschichte über das Trennende und Verbindende, das im Leben Wesentliche und das Unwesentliche - mehr dazu in Jurydiskussion Anna Stern. Eingeladen wurde Stern von Hildegard E. Keller, die die Laudatio hielt.

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Petra Gruber 3sat, Anna Stern, Hildegard Keller
Anna Stern sagte, sie hab nicht damit gerechnet, freue sich aber natürlich. Sie hoffe, dass der Roman einige Rätsel des Textes aufklären könne und Fäden verweben könne.
Publikumspreis für Raphaela Edelbauer
Die einzige Österreicherin im Bewerb 2018 hieß Raphaela Edelbauer. Sie war für einige Preise in der Wertung, setzte sich aber nicht durch. Sie gewann den mit 7.00 Euro dotierten BKS Bank-Publikumspreis. Sie brachte – auf Einladung von Klaus Kastberger – ihren Text „Das Loch“ mit nach Klagenfurt. Er handelt von einem ehemaligen Bergwerk, in dem ursprünglich Kalk abgebaut wurde und das später zur Vertuschung von NS-Verbrechen diente. Nun soll es, um der Statik Willen, aufgefüllt und stabilisiert werden. Die Jury diskutierte angeregt über Figuren und Stilmittel des Textes. Dieses Thema wird auch im vermutlich 2019 erscheinenden ersten Roman „Das flüssige Land“ der im Februar mit dem Rauriser Literaturpreis Ausgezeichneten im Zentrum stehen - mehr dazu in Jurydiskussion Raphaela Edelbauer.

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Raphaela Edelbauer
Aus den Begründungen
Jeder Abstimmende musste eine kurze Begründung für sein Voting abgeben. Hier eine Auswahl:
- Ein wenig Lokalpatriotismus darf schon sein.
- Kritischer Text mit Österreich-Bezug und ideenreichen Bildern sowie Metaphern.
- Der Text hat mich berührt. Er ist mutig! Raphaela wagt sich an Österreichs größtes Tabu und konfrontiert die Menschheit mit sich selbst.
- Für mich der berührendste Text des gesamten Wettbewerbs.
- Gute bild- u. metapherreiche Sprache. Gekonnte Verknüpfung von analogen Denkmustern der Vergangenheit und Gegenwart.
- Ein außergewöhnlicher Text von großer sprachlicher Kraft und mit zwingender Thematik; ganz klar der Favorit
- Raphaela Edelbauer sorgt für sprachliche Abwechslung, Zeitkritik, Geschichtsbezug, vermittelt Ausdruckskraft und starke Bilder.
- Stilistisch der eloquenteste Text
- Ein fantastischer Text mit einer enormen Kraft. Sprachlich dicht, tolle Bilder und eine besondere Tiefe.
- Weil sie als Nachwuchs-Schriftstellerin die deutsche Sprache beherrscht wie sonst niemand!!
- Behandelt ein Thema, das leider nach wie vor aktuell ist mit sprachlicher Eleganz.

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Hubert Winkels hatte das Schlusswort
Schlusswort Hubert Winkels
„Ich darf jetzt den Vorhang zuziehen, es war viel Arbeit, es war ein Fest – sicherlich beides.“ Immer schon habe es einen festlichen Charakter gehabt, es werde aber auch gearbeitet. „Es macht Spaß, wenn man teilhat an der Festlichkeit, die in der Literatur selber liegt.“ Seit der Bachmannpreis nicht mehr in Frage stehe, laufe es ruhiger, das sei gut für die Literatur, nicht aber für die de Medien, die es etwas aufgeregter haben wollen, so Winkels.
Die Kritik, dass man hier ein Tribunal halte und Macht ausübe, sei sicher richtig. Die Mittel hätten sich aber zivilisiert, es gehe allen stark um die Texte, die Machart und nicht um den Inhalt oder darum, den Nachbarjuroren zu beeindrucken. In den Anfangsjahren sei es mehr darum gegangen, das Publikum mit scharfen Worten aufzuwiegeln, das sei nicht mehr so. Wenn man sich den gesamten heurigen Wettbewerb ansehe, könne man sagen, dass viele Geschichten dabei waren, die gut gebaut waren, und über Konventionen verfügen, mit denen sie jonglieren. Früher gab es mehr experimentelle Texte. „Die gut erzählte Geschichte“ war der heurige Trend.
„Ein geglückter Jahrgang“, schloss Winkels.